Unter der Kaiserlinde
– Polonaise in den Katakomben von Nütterden –
Ein sonniger Tag neigt sich so langsam dem Ende zu. Es verspricht eine sternenklare, mondhelle Nacht zu werden.
Ideal um zu beobachten, wie das seichte Mondlicht durch die schmalen Spalten der Tore zur Unterwelt lugt und die unterirdischen Geister aufwachen läst.
Gibt es solch ein Tor auch in den Katakomben unserer Kirche von „Onsen lieven Sennt Tön“ ?
Kirchlich gehörte Nütterden jahrhunderte lang zur Pfarre in Donsbrüggen. Erst 1841 wurde die Pfarrgemeinde St. Antonius gegründet und ersetzte die alte Kapelle, von 1418. Im Jahre 1853 erhielt die junge Pfarre eine eigene Kirche im neogotischen Stil. Dabei wurde auch eine Verbindung von der Kirche zum geheimnisvollen Labyrinth von Nütterden gebaut. Es gibt in fast allen Häusern alte, verborgene Türen zu dem unterirdischen Reich der Mythen und Sagen.
Die Kirchenglocken von Sankt Antonius rufen zum täglichen Abendgebet, ein Klang der in der mystischen Unterwelt nicht gerne gehört wird.
Der alte Pastor von „Onsen lieven Sennt Tön“ hat es verstanden die bösen Mächte von seinem Haus erfolgreich ab zu wehren. Das Tor zur Unterwelt in seiner Kirche hat er doppelt und dreifach gesichert. Mit einer wöchentlichen Messe, ständigen Gebeten und lautem Geläut seiner Kirchenglocken, hat er die unheiligen Geister in den unterirdischen Gängen immer in Schach halten können.
Iren Pete spricht Nila vor der Kirche an;
„onder de Kerk, ek weet et nitt genau, mar door es ok ennen geheimen Gang. Ek glöf, ek weet et noch van frugger, dat enne Gang bess norr den Bunker op de Kerkhoff ging.“
In Sorge um weitere mysteriöse Vorfälle antwortet Nila aufgeregt;
„ de hele Nacht daför, heb ek ok all nit schloope könne, sön Lawaj was öwer Nöttere, ma min glööft ja gen mens. In Nöttere spukt et.“
Kaum hatte Nila das ausgesprochen, glaubten sie ein erst kaum hörbares, dann aber das immer lauter werdendes Schnaufen und Wiehern eines Pferdes zu hören.
Durch die Grablichter, die einen mystischen, rötlichen Schleier über den Friedhof verströmten, spürten sie die ehrfürchtige Macht, die von diesem Ort ausgeht. Und plötzlich glaubten sie auch, das sie am Ende des Friedhofes, dort wo der versteckte Eingang zu einem Bunker zu vermuten ist, im rötlichen Schein ein ungesatteltes weißes Pferd zu erkennen. Es steht bestimmt bereit für den Geist des alten Graf Eborin glaubten die Frauen und machten sich gegenseitig Mut. Noch wissen die beiden Frauen nicht, dass Jan der Fischersohn vom Renneken, längst in die Geschichte um Graf Eborin eingetreten ist.
Sie hielten sich fest an den Händen, als sie schnellen Schrittes zur Einweihung einer Kaiserlinde zur Dorfstraße liefen. Was sie hier vernahmen wunderte sie nun auch nicht mehr.
Bei der Vorbereitung zur Pflanzung der Kaiserlinde durch den Heimat und Verschönerungsverein Nütterden, stieß man auf einen alten Stollen. Hier stand im 15. Jahrhundert eine alte Kapelle, die den Heiligen; Sankt Georg und Sankt Barbara gewidmet war.
Dieser alte Stollen muss auch eine Verbindung mit dem Friedhof, der Kirche, dem Pastorat und den beiden Gastwirtschaften von Nütterden haben;
denn es geht das Gerücht umher, dass sich Pastor Meyers, Fritz Schönke und der alte Gerd Kersten dort auf halber Strecke in dem Gewölbe getroffen haben, um Karten zu spielen.
Dabei sollen sie mehrere „drie vör enne roje“ getrunken haben.
Ihre Nachfolger sollen sich der alten Tradition folgend noch heute hier unten treffen.
Manchmal sollen sie die nächtlichen Gelage so übertreiben, dass sie den Dirigenten vom Musikzug Nütterden, der gerade in der alten Schule über dem Jugendtreff Päpp, mit seinen Musikern probte, eingeladen haben. Dabei sollen sie eine Polonaise in dem alten Stollen getanzt haben und dabei lauthals sangen „Papp mach mich lustig….Papp mach mich froh“ und „Dat wej Nöttersse Jonges sinn dat welle wej weten…“!
Wenn man das Ohr ganz fest an den dünnen Stamm der noch jungen Linde hält, kann man die vier auch heute noch singen hören!