Die Magd Fine und der Laie Grimoldus

 

- Was geschah wirklich am Wegekreuz der „Krüsse Straat in Kennele“? -

Vor Urzeiten begab es sich, dass auf dem Kreuzhof, der in unmittelbarer Nähe der Krüsse Straat in Kennele stand, große Aufregung herrschte. Die Magd Fine war vom abendlichen Gebet am Wegekreuz zum Kreuzhof stand, nicht zurück gekehrt.

Fine soll vor ihrer Stellung als Magd auf dem Kreuzhof, eine Novizin im Marienstift Bedburg gewesen sein. Sie trat schon mit 10 Jahren dem Frauenorden bei. Mit knapp 18 Jahren musste sie den Orden verlassen weil sie mit ihren, für damalige Zeiten provozierenden Thesen, an die Öffentlichkeit drang.

Mit ihren mystischen Visionen und Prophezeiungen in Form von Gedichten und Liedern, soll sie das Klosterleben durcheinander gebracht haben. Sie soll eine hoch gebildete Frau gewesen sein, die mutig genug war in einer von Männern dominierten Welt, ihre Visionen einzusetzen. Der Graf von Kleve, dem das Stift Bedburg unterstand, soll die Versetzung zum Kreuzhof persönlich angeordnet haben, um weitere Unruhe in dem Stift zu vermeiden. Der Kreuzhof war der Haupthof der Bauernschaft Sombrienen, der noch weitere Unterhöfe hatte, die zu Abgaben und Dienstleistungen verpflichtet waren. Die Bauernschaft soll sich bis zur Dorfmitte von Kennele und ihrer Kirche St. Willibrord erstreckt haben.

Der Bauer vom Kreuzhof und seine Familie waren streng gläubige Christen, darum soll er von der Anordnung des Grafen nicht sehr begeistert gewesen sein. Seine Obrigkeitstreue erlaubte ihm allerdings keinen Widerspruch. Da die Familie seit Generationen das Heiligenhäuschen an der Wegkreuzung pflegte, sollte diese Aufgabe nun die neue Magd Fine nach ihrer Arbeit auf dem Hof übernehmen.

Was war nun mit Fine geschehen? Wollte der Bauer vom Kreuzhof die Magd wieder loswerden?  War ein Unglück geschehen? Lebte Fine überhaupt noch? Viele Fragen und noch keine Antworten.

Noch ahnte niemand, dass längst ein anderer in das Geschehen eingetreten war. Jan der Fischersohn aus Nütterden kam auf den Plan. Durch seine mystischen Fähigkeiten hatte er Kontakt mit der verschwundenen Magd Fine bekommen, die bekanntlich diese Fähigkeiten ebenfalls hatte. Sie lebte scheinbar noch. Aber wo war sie? Um das heraus zu finden eilte Jan zum Ort des Geschehens zum Kreuzhof nach Kennele.

Der Bauer war nicht begeistert, als Jan auf seinen Hof eintraf und ihm unangenehme Fragen stellte. Von all den mystischen Dingen wollte er nichts wissen. Er wolle nur wieder Ruhe auf seinem Hof haben, die seit dem Verschwinden von Fine nicht mehr vorhanden war. Jan war davon überzeugt davon, dass der Bauer mehr wusste, bekam aber außer den Hinweis von ihm, dass er in der nicht weit von hier entfernten „Krüssenhoffschenke“ wohl mehr erfahren könne, nichts über das Verschwinden der Magd heraus.

Jan hatte kein gutes Gefühl, als er in die dunkel wirkende Schenke eintrat. Nur einige wenige Kerzen gaben ein gelblich, schummriges Licht in dem von Rauchschwaden durchwabernden Schankraum. Jan konnte nur drei Gäste erkennen, die total besoffen auf ihren Stühlen hingen und den Ankömmling lallend begrüßten.

„wej hebben al lang geschlooten“ hörte Jan eine alte, hagere Frau auf Kleverländisch rufen. Sie stand rauchend hinter einem großen Tresen in der hinteren Ecke.

„et gefft nex merr te drenke“ fuhr sie kreischend fort. Jan legte ein paar klevische Stüber auf den schon lange nicht mehr gereinigten Tresen, die sofort von der Wirtin unter einem alten Wischtuch verschwanden. Bevor sie wieder laut ihre Stimme erhob, befragte Jan sie nach Fine.

„ek heb et ok gehoort dat se wech es, ek weet äwel van nex, mar dor achter innen huck sett  Grimoldus all sent twee dagen te süppe en te schraue, en betole kann he ok nit, froch denn mar“ kam es krächsend aus ihr heraus.

Jan schaute in die dunkle Ecke und sah einen in sich gekauerten, gut ernährten jungen Mann, der nur vor sich hin stierte und immer nur den einen Satz wiederholte „ek heb se doch so lief, ek heb se doch so lief…….“

Jan setzte sich an den Tisch des Mannes, der so gar nicht in dieses Milieu der Schenke passen wollte. Nachdem er ihn etwas beruhigen konnte sprudelte es nur so aus Grimoldus heraus. Er sei Laienprediger in der Kirche vom heiligen Willibrord, dort sei er auf die Magd Fine aufmerksam geworden. Sie hätten sich ein paar mal am Wegekreuz am Kreuzhof zum Beten getroffen, wo sie aber vom Bauer des Hofes erwischt wurden, als sie sich zum Abschied küssten. Darauf hin zwang der Bauer, Grimoldus die Magd zu entführen und notfalls in den Fluten des Rheins bei Schmitthausen, verschwinden zu lassen. Ansonsten würde er das was er gesehen hatte öffentlich machen und die Beiden mit Schimpf und Schande belegen. So wollte der Bauer die ihm nur Unruhe bringende Magd wieder los werden.

„ek heb se doch so lief“ stammelte Grimoldus weiter „ek kann dij Dern doch nex duun, dorom heb ek sej bowen in de Kerktörm van unse lieven Willibrord verstopt, wat kann ek blos duun.“

Beruhige dich erstmal wirkte Jan leise auf  ihn ein, komm wir werden eine Lösung finden und Fine erstmal befreien. Erleichtert verließen die zwei unter den spöttischen Blicken der Wirtin die Schenke.

Eine Zeit lang wohnten Grimoldus und Fine nun in Nütterden, nahe von Jan seinem Fischerhaus und gründeten eine Familie. Später zogen sie wieder nach Kennele zurück wo sie bis an ihr Lebensende glücklich lebten.

Der Bauer vom Kreuzhof konnte den Beiden nicht mehr schaden, ihn ereilte bei der Ernte auf seinem Feld ein plötzlicher, unerklärlicher Tod. Es wird gemunkelt das höhere Mächte am Werk waren.

 

Wer weiß, wer weiß…………